Nachdem ich bereits das Jahr 2016 mit einer Buchrezension und Zusammenfassung (inklusive Spoiler) begonnen habe, möchte ich diese Praxis wieder aufleben lassen und über ein weiteres literarisches Werk berichten.
Ich hartz dann mal ab: Bekenntnisse eines kleinen Schmarotzers
Entgegen vieler Rezensionen auf Amazon muss ich gestehen, dass mir dieses Werk von Robert Naumann und Piero Masztalerz gefallen hat. Es ließ sich ausgezeichnet lesen und kann durch seinen reichhaltigen schwarzen Humor bei mir punkten.
Zum Inhalt: Der Protagonist, Robert Naumann, ist seit langer Zeit arbeitslos und landet schließlich beim Jobcenter. Mit der Agentur für Arbeit war er bestens vertraut doch nun ändert sich der Name seiner vertrauten Anlaufstelle. Was mag dort also vor sich gehen, im neuen Jobcenter?
Das Buch dreht sich im Wesentlichen darum, dass Herr Naumann immer wieder zu seiner Beraterin im JobCenter muss, um eine Kürzung seiner Leistungen zu verhindern. Seine persönliche Beraterin, ein ebenso stark überzeichneter Charakter, wie der Protagonist selbst, macht ihm das Leben dabei natürlich nicht leicht. Verschiedenste Arbeitsangebote sind anzunehmen. Oftmals ist dies der Aufhänger dafür, dass eine Geschichte aus der Vergangenheit von Herrn Naumann erzählt wird. So zeichnet sich durchweg ein sehr eindeutiges Charakterbild ab.
Im Verlauf der Erzählung erfährt der Leser so einiges über den kleinen Schmarotzer, als den sicher Herr Nauman in seinem Inneren auch selbst versteht. Man erlebt mit, wie er sich um unliebsame Aufgaben drückt oder es bewerkstelligt, dass er eine Anstellung gar nicht erst annehmen muss. Ebenso erfährt man aber auch, dass es ihm nach langer Arbeitslosigkeit wirklich nicht mehr gelingt die für andere so einfachen Aufgaben zu bewältigen auch wenn der Autor immer wieder durchblicken lässt, dass Robert Naumann keineswegs ein Versager oder dumm ist. An einigen Stellen finden sich Verweise auf komplexe Themen der Mathematik oder Physik und auch der Besuch einer Universität findet Erwähnung. Dennoch scheint es ihm teils unmöglich einfachste Dinge des alltäglichen Lebens abzuwickeln: Ist er mit seinen Kindern allein, schafft er es nicht, das Essen auf den Tisch zu bringen, weil er sich in der Planung des wöchentlichen Speiseplans verliert, sodass er resigniert aufgibt und positiv resümiert, dass seine Frau, ebenfalls arbeitslos, sich wohl besser um die gemeinsamen Kinder kümmern solle, dies sei schließlich nicht seine Aufgabe.
An anderer Stelle erlebt der Leser mit, wie es Robert nicht gelingen will für einen Freund während dessen Urlaub die heißgeliebten Pflanzen zu gießen, woraufhin schließlich eine fadenscheinige Ausrede her muss, um ihre Freundschaft nicht zu gefährden. In dem Augenblick, als ihm bewusst wird, dass er das Gießen vergessen hat, eilt er in die Wohnung, doch anstatt sich um die Pflanzen zu kümmern, durchsucht er erst alle Schränke, die Pflanzen vergisst er dabei schon wieder vollkommen. Was sich in diesem Szenario deutlich abzeichnet ist, dass Herr Naumann froh darüber ist, dass man ihn in Zukunft nicht mehr um einen solchen Gefallen bitten wird: Jede Art von Verantwortung ist ihm zu wider. Auch das Setzen von Prioritäten und Fällen von Entscheidungen hat er längst verlernt.
Der Roman beleuchtet über die eigene Unfähigkeit und Unwilligkeit des Protagonisten hinaus die Idiotie des Systems von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und JobCentern, in denen es vorrangig darum geht Arbeitslose irgendwie aus einer Statistik zu bekommen. So muss Robert Naumann wochenlang an einer ArbeitsBeschaffungsMaßnahme (ABM) teilnehmen, auch wenn die eigentliche Arbeit bereits nach Tagen getan ist.
Hierzu ein kleines Zitat, welches auch auf den geistigen Horizont des Protagonisten schließen lässt:
„Aus der Arbeitslosenstatistik bin ich aber trotzdem raus. Keine richtige Arbeit, aber auch nicht richtig arbeitslos, wir Ein-Euro-Jobber sind wie Schrödingers Katzen in einem Überlagerungszustand, wir sind die Hermaphroditen der Arbeitswelt, gefangen im Fegefeuer zwischen Hölle (Arbeitslosigkeit) und Himmel (richtige Arbeit).“ (S.110)
Auf diese Weise kann eine Rückführung an den ersten Arbeitsmarkt, welcher einer dauerhaften Anstellung entspricht, natürlich nicht gelingen.
Der Leser erhält einen wunderbaren Einblick in die Welt eines Hartz IV Empfängers, wie es ihn hoffentlich nicht noch einmal gibt. Doch obwohl der Protagonist ein Schmarotzer sein soll, schafft er es meine Sympathie zu gewinnen und mir Verständnis für seine missliche Lage abzuringen.
Das wundervolle Ende des Buches schlägt dann auch schließlich den Bogen zum vermeintlichen Autoren.
Besonders schön ist die ironische Erzählweise, welche teilweise recht zynische Züge annimmt.
Mein Resümee: Sehr kurzweilig und durchaus lesenswert.